Schönheitsreparaturen – ein salomonisches Urteil?
In seinem Urteil vom 8. Juli hat der BGH einen Kompromiss zu einer strittigen Frage gefunden: Mieter, die eine unrenovierte Wohnung bezogen haben, müssen die Kosten der Renovierung zur Hälfte mittragen, wenn sich der Zustand der Wohnung im Laufe eines langjährigen Mietverhältnisses deutlich verschlechtert hat.
Das aktuelle Urteil des BGH zur Lastenverteilung bei Schönheitsreparaturen erfuhr viel Beachtung in den Medien, denn die Frage, wer für den neuen Anstrich von Wänden, Decken, Heizkörpern, Türen und Fensterrahmen zuständig ist, führte in der Vergangenheit oft zu Streit. So auch bei den beiden Verfahren in Berlin, die dem Richtspruch zu Grunde liegen (Urteile vom 8. Juli 2020, VIII ZR 163/18 und VIII ZR 270/18).
Der Unfriede entstand nicht zuletzt, weil der BGH bei seinem Urteil aus dem Jahr 2015 offengelassen hatte, ob Mieter unrenoviert übernommener Wohnungen vom Vermieter verlangen können, Schönheitsreparaturen durchzuführen. Klar entschieden wurde damals nur, dass Mieter nicht auf eigene Kosten zu Reparaturen wie Streichen und Tapezieren verpflichtet werden dürfen und dass entsprechende Klauseln im Mietvertrag unwirksam sind.
Das aktuelle Urteil nimmt Vermieter und Mieter nun gleichermaßen in die Pflicht. Der BGH entschied, dass langjährige Mieter ihren Vermieter zwar zum Renovieren verpflichten können – vorausgesetzt, dass der Zustand der Wohnung sich seit Einzug deutlich verschlechtert hat – sich aber selbst zur Hälfte an den Kosten beteiligen müssen.
Denn einerseits würde es eine Benachteiligung des Mieters darstellen, ihn durch eine Renovierungsklausel zu zwingen, Spuren des vorherigen Mieters mit beseitigen zu müssen. Zudem würde er dem Vermieter die frisch renovierte Wohnung in einem besseren Zustand zurückgeben als er sie übernommen hat. Andererseits, so argumentieren die Bundesrichter jetzt, sei es ebenso ungerecht, dem Vermieter die vollen Kosten aufzubürden, zumal der Mieter beim Einzug in die unrenovierte Wohnung ja wusste, worauf er sich einließ. Bei einer Renovierung auf Kosten des Vermieters bekäme der Mieter also mehr, als er beim Einzug vorgefunden habe. Eine hälftige Kostenteilung erscheint demnach angemessen, damit beide Seiten zu ihrem Recht kommen.
So mancher Mieter wird sich in Zukunft allerdings dafür entscheiden, die Wohnung auf eigene Faust zu renovieren, denn die Vermieter müssen grundsätzlich Handwerker mit den Schönheitsreparaturen beauftragen, und das kann teuer werden. Erst wenn der Vermieter sich nicht kümmert und in Verzug gerät, kann der Mieter dem Urteil zufolge selbst renovieren und vom Vermieter die Hälfte der Kosten einfordern.
So recht zufrieden mit dem Kompromiss zeigt sich weder die Lobby der Vermieter noch die der Mieter. Der Deutsche Mieterbund (DMB) kritisiert das Urteil als „unverständlich“. Es widerspreche dem Gesetz, Mietern einen Anspruch auf Schönheitsreparaturen zuzubilligen, die sie dann aber mitfinanzieren müssen. DMB-Präsident Lukas Siebenkotten befürchtet, dass das Urteil zu weiterem Streit über die Kostenaufteilung führt, anstatt dem Rechtsfrieden zu dienen.
Auch der Eigentümerverband Haus & Grund prognostiziert Probleme in der praktischen Umsetzung sowie wachsendes Misstrauen zwischen Vermieter und Mietern. Haus & Grund- Präsident Kai Warnecke nannte das Urteil mit Blick auf die Wohnkosten ein „verheerendes Signal“. Allgemein geht man davon aus, dass das Einpreisen der Renovierungen zu steigenden Mieten führt.
Quellen: juris.bundesgerichtshof.de, mieterbund.de, focus.de, heute.de, anwalt.de, hausundgrund.de, haufe.de, tagesschau.de