So teuer wird das Verbot von Gas- und Ölheizungen
Ab 2030 dürfen in neuen Wohnhäusern keine Heizungen mehr mit fossiler Energie betrieben werden. So der Plan. Doch viele technische Fragen sind ungeklärt – und die Kosten für die Bürger enorm hoch.
Die Energiewende hat höchste Priorität in der Bundesregierung. Der Ausstoß von Treibhausgasen in Industrie, Straßenverkehr und in Gebäuden soll so schnell wie möglich reduziert werden. Eine entscheidende Frage beim Umstieg auf erneuerbare Energien lautet jedoch: Wer geht wie schnell voran?
Ein aktueller Regierungsentwurf des Klimaschutzplans 2050 legt wichtige Ziele für die nächsten Jahrzehnte fest und gibt eine klare Antwort: Häuslebauer sollen als Erste komplett auf fossile Energieträger verzichten. Erst dann sind Autos und Gewerbebetriebe an der Reihe.
Ab dem Jahr 2030 dürfen in neu gebauten Wohngebäuden, vom Mietshaus bis zum Eigenheim am Stadtrand, keine Gas- oder Ölheizungen mehr eingebaut werden – so lautet der Plan. In dem Klimaschutzpapier, das der „Welt“ vorliegt, heißt es: „Spätestens mit dem Jahr 2030 muss auf die Neuinstallation von Heizsystemen, die auf der Verbrennung fossiler Brennstoffe beruhen, verzichtet werden.“
In 13 Jahren steht Bauherren eine Zeitenwende bevor
Während der Klimaschutzplan beim Umstieg auf Öko-Energie bei Autos oder bei Gewerbebetrieben einen großen zeitlichen Spielraum zulässt, müssen Bauherren damit rechnen, dass ihnen in gut 13 Jahren eine Zeitenwende bevorsteht. „Für die bis 2030 zu errichtenden Neubauten bedeutet dies, dass das energetische Anforderungsniveau bezogen auf den Endenergiebedarf für Wohngebäude auf einen Wert unterhalb von 30 Kilowattstunden pro Quadratmeter weiterzuentwickeln ist“, lauten die Vorgaben. Dieser Wert liegt noch einmal deutlich unter den bereits heute geltenden strengen Neubau-Anforderungen der Energieeinsparverordnung (EneV).
Auf den ersten Blick mag ein Komplettverbot von Öl- und Gasheizungen positive Auswirkung auf das Klima und auch auf den Geldbeutel der Hauseigentümer haben. Doch da für den Umstieg auf Öko-Energie die notwendige Infrastruktur fehlt, technische Fragen vor allem bei Mehrfamilienhäusern ungeklärt sind und alternative Wärmetechniken an vielen Stellen noch in den Kinderschuhen stecken, bringt der Regierungsplan am Ende vor allem steigende Kosten für Haus- und Wohnungsbesitzer.
Strompreise und Stromverbrauch dürften weiter steigen. Und sogar der Ausstoß von Treibhausgasen könnte deutlich höher ausfallen als erhofft. Denn für die Wärmeerzeugung wird zunehmend Strom benötigt, und der dürfte im Winterhalbjahr zu einem guten Teil aus Kohlekraftwerken gewonnen werden.
Die ratternden Ventilatoren sind oft lauter als gedacht
Aus Sicht von Corinna Kodim bleiben Hausbauern bei der Wahl der Heizung ab 2030 wenig Alternativen: „Viele private Bauherren werden wohl auf eine Wärmepumpe zurückgreifen müssen, auch wenn sie wissen, dass die laufenden Kosten durch den Strompreis sehr hoch sein können“, sagt die Referentin für Energie, Umwelt und Technik beim Eigentümerverband Haus & Grund.
Zur Orientierung: Eine Kilowattstunde Erdgas kostet zurzeit 6,23 Cent, eine Kilowattstunde Wärmepumpen-Strom 23 Cent. Um nun die Kosten einer Wärmepumpe bewerten zu können, gibt es die Jahresarbeitszahl – ein Faktor, der – vereinfacht gesagt – beschreibt, wie viel Einheiten Wärmeenergie aus einer Einheit Stromenergie erzeugt werden können. Eine Jahresarbeitszahl von drei bedeutet quasi eine Verdreifachung: Um eine Kilowattstunde Wärmeenergie zu bekommen, benötigt die Pumpe Strom im Wert von 7,66 Cent.
Das sieht zunächst ähnlich günstig aus wie bei der Gasheizung. Doch die Rechnung ist sehr theoretisch. Nur in seltenen Fällen erreichen die Wärmepumpen die im Prospekt versprochenen Leistungsangaben. Denn zur Berechnung der Jahresarbeitszahl wird ein Verbraucherverhalten zugrunde gelegt, das in der realen Welt nur selten vorkommt. Experten beobachten, dass es schon ausreicht, im Winter das Wohnzimmer statt auf 22 auf 24 Grad zu erwärmen – und schon kommt der gefürchtete Notheizstab zum Einsatz. Wie bei einem Tauchsieder wird das benötigte Warmwasser dann direkt mit Strom hergestellt, und die Kosten schießen in die Höhe.
Beim Verband Haus & Grund kennt man ein weiteres Problem: „Häufig gibt es auch Probleme mit der Lärmentwicklung und Ärger mit den Nachbarn“, sagt Kodim. „Die Geräteangaben auf dem Papier geben lediglich Auskunft über den Schalldruck unter Normbedingungen, nicht aber, was nachher beim Nachbarn ankommt.“ Nachts liege der zulässige Immissionswert für Wohngebiete bei 35 db(A). „Dieser Wert darf am nächstliegenden Fenster nicht überschritten werden.“ Doch eine wachsende Zahl von Rechtsstreitigkeiten legt den Schluss nahe: Die ratternden Ventilatoren in den Anlagen sind oft lauter als gedacht.
Das jedenfalls gilt für die weit verbreiteten und vergleichsweise günstigen Luftwärmepumpen. Eine Alternative wären Wärmepumpen, die mittels Tiefenbohrung die Erdwärme nutzen. Expertin Kodim schränkt aber auch hier ein: „Erdwärmepumpen sind auch nicht überall erlaubt beziehungsweise technisch machbar.“ Zudem seien wegen der Tiefenbohrung die Installationskosten sehr hoch.
Nicht aus der Förderung fallen
Was für den kleinen Häuslebauer eine kostspielige Entscheidung ist, ist es für große Bauträger erst recht: „Luftwärmepumpen sind nur bis zu einer bestimmten Gebäudegröße geeignet“, sagt Ingrid Vogler, Referentin für Energie, Technik und Normung beim Wohnungsunternehmen-Verband. „Für größere Miethäuser im innerstädtischen Bereich kommt diese Technologie eigentlich nicht infrage.“ Tiefenbohrungen für Erdwärmepumpen seien in Stadtgebieten nur selten, ebenso die Nutzung von Abwasserwärme.
Blockheizkraftwerke, die mit Biogas betrieben werden, sind seit dem Auslaufen der Biogasförderung unwirtschaftlich geworden. Und für die ausschließliche Nutzung von Solarthermie, also durch Sonnenenergie erzeugtes Warmwasser, fehlen noch bezahlbare Speichertechnologien für den Winter. Unter dem Strich heißt das: Wenn nicht zufällig ein dichtes Fernwärmenetz vor Ort existiert, gibt es für neu gebaute Standardmietwohnungen in der Innenstadt zurzeit praktisch keine wirtschaftliche Heizungsalternative für die neue Zeitrechnung ab dem Jahr 2030.
Welche Auswüchse die Wärmeerzeugung mit Strom zumindest beim heutigen technischen Stand haben kann, beschreibt Haus-&-Grund-Expertin Kodim: „Bei der Wärmepumpe gibt es ein Problem mit der Warmwasserbereitung. Um den Warmwasserspeicher frei von Legionellen zu halten, muss das Wasser auf einer Temperatur von 60 Grad gehalten werden.“ Eine moderne Fußbodenheizung dagegen benötigt geringere Vorlauftemperaturen. Das parallele Betreiben beider Wärmeanforderungen führe oft zu schlechter Effizienz, und dafür gibt es kein Fördergeld.
Um nicht aus der Förderung zu fallen, würden manche Anbieter deshalb inzwischen sogar den Einbau von zwei Wärmepumpen vorschlagen: eine für die Heizung, die kontinuierlich eine niedrige Vorlauftemperatur benötigt und zumindest auf dem Papier die förderwürdige Jahresarbeitszahl erreicht. „Und eine für das Heizen von Trink- und Brauchwasser, die dann deutlich mehr Strom verbraucht“, so Kodim.
Ein massiver Ausbau der Strom-Infrastruktur ist nötig
Doch die schwer kalkulierbaren Heizkosten für Verbraucher sind nicht alles. Um genügend Strom für die vielen neuen Stromheizungen bereitzustellen, ist ein massiver Ausbau der Strom-Infrastruktur nötig. Und wie die Vergangenheit gezeigt hat, werden die Kosten im Zweifel auf die privaten Stromkunden abgewälzt. Die Initiative „Zukunft Erdgas“ stellt fest: „Die Kosten für die Elektrifizierung des Wärmemarkts liegen bei etwa 2000 Milliarden Euro. Das entspräche etwa 50.000 Euro pro Haushalt.“
Dass „Zukunft Erdgas“ die Wärmeerzeugung mit Strom angreift, ist wenig überraschend. Allerdings schreibt sich die Initiative auch die Entwicklung einer ganz anderen Wärmetechnik mit erneuerbaren Energien auf die Fahnen: „Power to Gas“. Hier wird Ökostrom für die Elektrolyse von Wasser eingesetzt – es entsteht Wasserstoff und in einem weiteren Schritt Methangas. In diese Form umgewandelt, könnte Energie in der bereits vorhandenen Infrastruktur gespeichert und transportiert werden. Timo Leukefeld, Energieberater und Experte für öko-beheizte Gebäude, sagt: „Ich halte es für wesentlich effektiver, das Gasnetz grüner zu machen als das Stromnetz.“
Das Gas- und Ölheizungsverbot ab 2030 soll zunächst zwar nur für Neubauten gelten. Doch auch im Bestand können sich Haus- und Wohnungseigentümer auf strengere Anforderungen gefasst machen. Im Klimaschutzplan 2050 heißt es: „Um langfristig einen klimaneutralen Gebäudebestand zu erreichen, muss deutlich mehr und deutlich schneller in die energetische Optimierung des heutigen Bestands investiert werden. Spätestens im Jahr 2030 darf die energetische Güte nach der Sanierung nur noch in Ausnahmefällen den Neubaustandard um 40 Prozent überschreiten.“
Quelle: Die Welt