Trittschallschutz: BGH stellt Wohntrends über Lärmschutz
Normalerweise sind die aktualisierten Richtlinien einer Verordnung die jeweils gültigen. Nicht so beim Schallschutz. Hier sind die Dezibel-Grenzwerte maßgebend, die zur Bauzeit des Hauses galten.
So wies der Bundesgerichtshof in Karlsruhe am 27. Februar die Klage eines Rentnerpaares in einer 30-geschossigen Wohnanlage inTravemünde (Ostsee) ab, das sich durch Trittschall gestört fühlte: Die neuen Eigentümer der Wohnung oberhalb der ihrigen hatten den alten Teppich herausgerissen und durch Parkett ersetzt. Die Folge: Das Getrappel über ihren Köpfen war auf einmal deutlich vernehmbar, da nicht nur Stöckelschuhe auf einem Holzboden wesentlich mehr Lärm machen als auf einem schalldämpfend wirkenden Teppich. Die Kläger verlangten deshalb, den Parkettboden wieder durch einen weniger geräuschübertragenden Belag zu ersetzen.
Parkett? Aber sicher!
Nun ist es ja allgemein bekannt und wissenschaftlich anerkannt, dass Lärm krank machen kann. Dennoch: Aus juristischer Sicht ist die Belästigung zumutbar. Der Lärm läge noch unter der zur Bauzeit in den 70er Jahren geltenden Trittschallgrenze von 63 Dezibel, argumentierten die Karlsruher Richter (zum Vergleich: Dies entspricht etwa der Lautstärke von Gruppen-gesprächen in einer Firmenkantine).
Handelte es sich beim Maritim-Hochhaus in Trave-münde um ein neues Gebäude, wäre das Urteil anders ausgefallen. Mit einem Grenzwert von 53 Dezibel sind die Schallschutzbestimmungen heute sehr viel strenger. Demzufolge hängt also vom Baujahr des Hauses ab, wie zumutbar Lärm ist.Eine anders lautende Entscheidung hätte den Gerichten viel Arbeit erspart, denn mangelnder Trittschallschutz ist ein häufiger Grund für Streit wegen nachbarschaftlichen Lärms.
Auch der Boden geht mit der Zeit
Stattdessen verwies der BGH in seinem Urteil auf den Wandel von Wohntrends – so sei der Teppich in dem Hochhaus nur gelegt worden, weil es in den Siebzigerjahren „schick“ war, befand die Vorsitzende BGH-Richterin Christina Stresemann.Die Anwältin der Beklagten hatte zudem darauf hingewiesen, dass es im Maritim-Hochhaus schon 53 Wohnungen mit Fliesen, Parkett oder Laminat gebe.
Auf dem Teppich bleiben?
Aus dem Urteil geht also hervor, dass ein Eigentümer nicht darauf bestehen kann, dass in der Wohnung über ihm aus Schallschutz-Gründen nur Teppich verlegt wird.Dies gilt übrigens auch für eine Mietwohnung: Hier ist nicht der Schallschutz bei Anmietung der Wohnung relevant, sondern die DIN-Norm, die bei Errichtung des Hauses galt. Akustische Mehr-Belästigung durch einen Austausch des nachbarlichen Fußbodenbelages während der Mietzeit verpflichtet den Vermieter des Gebäudes also nicht, Abhilfe zu schaffen.
Quellen: www.baurechtsurteile.de; www.spiegel.de; www.zeit.de;www.faz.de, Mietrechtslexikon